Chancen für eine bedrohte Baumgattung

01 Ulmus glabra Exoniensis PlantenUnBlomen Foto M Stern 2002Abb. 1: Ulmus glabra Exoniensis; Hamburg, Planten Un Blomen; Foto Manfred Stern, 2002Einleitung

Die Holländische Ulmenkrankheit, auch als „Ulmensterben“ bekannt, ist seit fast 100 Jahren für große Verluste unter den Ulmen in Europa und Nordamerika verantwortlich. Auslöser für die Ulmenkrankheit sind Schlaupilze der Arten Ophiostoma ulmi und O. novo-ulmi die von Ulmensplintkäfern (Scolytus scolytus und S. multistriatus) übertragen werden (WEBBER 2019). Am Beispiel Hamburg wird deutlich, dass wir dieser allermeist tödlich verlaufenden Baumkrankheit nicht mehr wehrlos gegenüberstehen.

Da Hamburg traditionell eine Ulmenstadt war, verfolgt die Stadt seit dem Jahr 2002 mit einem facettenreichen Ulmenprogramm das Ziel, dieser wertvollen, aber von der Holländische Ulmenkrankheit bedrohten Gattung Ulmus wieder eine Zukunft zu geben und dabei die bestehenden Risiken kalkulierbar zu halten. Voraussetzung dafür ist die intensive Koordinierung und sachkundige Begleitung. Wegen der Hamburg weiten und somit bezirksübergreifenden Arbeiten wird das Ulmenprogramm vom zentralen Stadtbaummanagement der Fachbehörde gesteuert und mit Unterstützung externer Gutachter ausgeführt.

Inzwischen stehen in Hamburg wieder mehr als 4.000 Ulmen unterschiedlicher Arten und Sorten, einige sind über 100 Jahre alt (Abb. 1), und erfüllen im Stadtgebiet wichtige Funktionen. Um einen vitalen Ulmenbestand aufzubauen und zu erhalten, spielen neben der Sortenauswahl auch die Standortwahl, Baumpflege und Baumhygiene sowie die engmaschige Beobachtung und einige andere Faktoren eine gleichrangig bedeutende Rolle. Deshalb setzt sich das Hamburger Ulmenprogramm auch aus einer Reihe verschiedener Teilschritte und Aufgaben zusammen:

  • Erfassung: alle Ulmen werden im Baumkataster dokumentiert und fortgeschrieben
  • Monitoring: der Ulmenbestand wird überwacht und befallene Bäume und Befallsherde lokalisiert
  • Baumhygiene: befallene Bäume werden vollständig entfernt oder befallene Kronenteile herausgeschnitten
  • Prävention: ausgewählte Bäume und Baumgruppen werden vorbeugend geimpft, um deren Widerstandsfähigkeit zu erhöhen
  • Neupflanzung: abhängig vom Infektionsrisiko werden die Arten-/Sorten ausgewählt und die Pflanzweise angepasst


Ulmenmonitoring und Bestandsaufnahme

04 Ulmenkontrolle Foto Doobe 2004 DSCN3122Abb. 2: Kontrolle und Probenahme bei einer Altulme per Hubsteiger im Rahmen des Monitorings; Foto Doobe, 2004Die Basis des Ulmenprogramms und zugleich Bindeglied zwischen dessen weiteren Teilen ist das Monitoring. Es stützt sich auf die gründliche Bestandaufnahme (Mackenthun und Doobe 2002) und das Hamburger Baumkataster. Da die Ulmensplintkäfer ungefähr von April bis September aktiv sind, werden auch die Befallskontrollen in dieser Zeit vorgenommen, seit Programmstart im Jahr 2002 mit Hilfe von Pentops. Die im Baumkataster aufgeführten Bäume, in diesem Fall sämtliche in den Hamburger Bezirken erfassten Ulmen, werden vom Boden aus auf Symptome der Ulmenkrankheit hin begutachtet und die Ergebnisse dokumentiert. Wird eine Erkrankung frühzeitig entdeckt und der Befallsherd umgehend qualifiziert saniert, bleibt der Bestand mit großer Wahrscheinlichkeit gesund und eine weitere Ausbreitung wird verhindert.

Ein Befall mit der Ulmenkrankheit konnte bisher in den meisten Fällen ohne weitere Untersuchungen zweifelsfrei erkannt werden (Haselbach 2008-2018). Nach dem Ausbruch der Symptome sind die Bäume oft in kurzer Zeit, meistens schon innerhalb der laufenden Vegetationsperiode, komplett abgestorben oder sie sind im Absterben begriffen. Zu diesem Zeitpunkt erscheint die Kronensilhouette noch geschlossen und es befinden sich selbst feinste Äste noch am Baum.

Sind nur Teile der Krone abgestorbenen oder bei unklaren Symptomen, werden mit Hilfe einer Teleskop-Astschere Zweigproben entnommen, um eine mögliche Verfärbung der Gefäße und damit Hinweise auf die Ulmenkrankheit erkennen zu können. In Einzelfällen (Abb. 2) werden Proben zur weiteren Untersuchung an den Pflanzenschutzdienst Hamburg gegeben. Die positiven Befunde der Ulmenkrankheit werden im Baumkataster mit Jahresangabe und einer Empfehlung zur Fällung eingetragen.
Auch jeder nicht beseitigte Altbefall wird bestätigt und alle mit Impfstoff behandelten Bäume werden vermerkt.

Sofern von befallenen Nachbarbäumen eine Infektion über Käfer oder Wurzelverwachsungen abzusehen ist, werden diese Bereiche ebenso dokumentiert, wie tote, absterbende oder stark geschwächte Bäume, deren Baumzustand nicht auf die Ulmenkrankheit zurückzuführen ist. Insgesamt besteht damit eine hinreichende Informationsdichte, um die jeweils erforderlichen weiteren Schritte einzuleiten.

Zusätzlich zu diesen digitalen Katastereinträgen bekommt jeder Hamburger Bezirk Arbeitsblätter zu den Befallsstandorten mit einer ausführlichen Beschreibung der Befallssituation und Dringlichkeit. Die enge Zusammenarbeit mit der Fachbehörde macht im Rahmen des Monitorings die Mitarbeiter*innen der Bezirksdienststellen mit der Symptomatik der Krankheit und den erforderlichen Arbeitsabläufen vertraut und schafft so den notwendigen Wissenstransfer, um beides in das Tagesgeschäft einzubinden. Vorrangig die Baumkontrolleure wirken beim Monitoring unterstützend mit.

Bei Bäumen auf Privatgrund ergeht ein Hinweis an die Grundstückseigentümer. Hier werden in den kommenden Jahren verstärkte Anstrengungen nötig, um die jeweiligen Eigentümer zu bewegen, ihre befallenen Ulmen zu fällen. Als Voraussetzung müssen auch weiterhin die bereits bekannten Ulmen auf Privatgrund kontrolliert, aber auch private Ulmen, insbesondere befallene Bäume, neu in das Kataster aufgenommen werden.

Die Fällungen befallener Ulmen werden mit der Priorität 1 im Baumkataster vermerkt. Die Ausführung liegt bei den Bezirksdienststellen. Zusätzlich werden seit 2011 an allen nicht vollständig gerodeten Befallsstandorten die Stockausschläge und Wurzelausläufer erfasst.

Im gesamten Stadtgebiet traten z.B. im Jahr 2018 insgesamt 66 neue Befallsherde auf, die zeitnah zu sanieren waren. Das entspricht rund 1,6 % des bekannten Ulmenbestands und erscheint damit als durchaus beherrschbar. Allerdings wurden auch 44 nicht entfernte Altbefalle aus Vorjahren gefunden, von denen ausgehend sich die Erkrankung weiterverbreiten kann. Probleme zeichnen sich also immer dann ab, wenn einzelne Teilschritte z.B. aufgrund fehlender Ressourcen nicht oder unvollständig ausgeführt werden. Das gilt auch für die gründliche Beseitigung sämtlichen Pflanzenmaterials, weil Stümpfe oder im Gelände verbleibende Holzrückstände befallener Ulmen Brutstätten für neue Generationen des Splintkäfers sein können.

Ulmenimpfung

09 Ulmenimpfung Foto Fa. Thomsen 2008 350x263Abb. 3: Ulmenimpfung mit dem Impfstoff `Dutch Trig´; Foto Baumpflege Uwe Thomsen, 2008Der zuletzt ergänzte Baustein des Ulmenprogramms sind umfangreiche Schutzimpfungen (Abb. 3). Sie sollen für gefährdete Ulmen und solche, von denen im Infektionsfall Risiken für andere Ulmenbestände ausgehen können, das Infektionsrisiko minimieren. Schon in den Jahren 2006 und 2007 wurde in Hamburg an exemplarischen Standorten das auch heute noch verwendete Impfmittel `Dutch Trig´ erprobt (Doobe et al. 2008). Die Anzahl der Impfungen wurden in den Folgejahren ausgeweitet, um weitere Erkenntnisse im Kampf gegen die Ulmenkrankheit zu gewinnen. Seit dem Jahr 2008 werden Ulmen in einer größeren Zahl von bis zu 400 Exemplaren geimpft. Die ausführenden Sachverständigen von Baumpflege Uwe Thomsen (ö.b.v.) wählen die zu behandelnden Ulmen des gesamten Stadtgebiets in Zusammenarbeit mit den einzelnen Bezirksdienststellen und der Behörde für Umwelt und Energie aus. Aufgrund der inzwischen langjährigen Erfahrungen erscheint die Ulmenimpfung in Hamburg einen zuverlässigen Schutz gegen die Ulmenkrankheit zu bieten und ist für herausragende Solitärbäume sowie für die Barrierebildung zu Befallsherden eine wichtige Säule im Hamburger Ulmenprogramm geworden.

Ulmenpflanzung

10 Ulmustest Columella Foto G Doobe 2012Abb. 4: Ulmen im GALK-Straßenbaumtest; Ulmus columella, Hamburg; Foto Doobe, 2012Neben der vorrangigen Aufgabe, den Restulmenbestand zu schützen, sollte in einem qualifizierten Pflanzprogramm der Gesamtbestand vergrößert werden. Aus den Niederlanden und aus den USA stammende Ulmenkultivare sind in hohem Maße gegen die Ulmenkrankheit resistent (Hiemstra 2008) und werden mit Erfolg als Straßenbäume gepflanzt. Die Ulmus-Hybride Ulmus 'Clusius', Ulmus ’Columella’ (Abb. 4), Ulmus 'New Horizon' und Ulmus ‘Regal’ werden zudem seit 2005 im Rahmen des bundesweiten GALK-Straßenbaumtests aufgepflanzt und regelmäßig auf ihre Eignung als Allee- und Straßenbaum bewertet (Doobe et al. 2012).
Seit Programmstart wuchs der Hamburger Ulmenbestand von dokumentierten 529 auf aktuell 4.200 Exemplare. Da Ulmen in den Grün- und Freiflächen oft in Gruppen und Beständen wachsen, ohne einzeln erfasst zu sein, ist von einer noch größeren Zahl auszugehen. Allerdings wurde ein großer Teil der Bäume nicht neu gepflanzt, sondern resultiert aus der intensiven Erfassung der ersten Projektjahre.

Ein konsequent betriebenes Ulmenprogramm ist - wie das Beispiel Hamburg zeigt - im Kampf gegen die Holländische Ulmenkrankheit effektiv und erfolgreich, muss aber über Jahre fortgesetzt werden. Da es sich bei Ulmen - mit Ausnahme ihrer Anfälligkeit gegenüber der Ulmenkrankheit - um robuste und widerstandsfähige Bäume handelt, die sich selbst im urbanen Umfeld gut entwickeln und behaupten können, gehören sie auch mit Blick auf die Folgen des Klimawandels zu den Zukunftsbäumen. Auch in Hamburg werden Ulmen deshalb weiterhin an geeigneten Standorten gepflanzt.


 

Literatur

Doobe,G.; 2020: Einsatz für Hamburger Ulmen. In: TASPO/Baumzeitung 01/2020, S. 27-29

Doobe, G.; Dietrich, J.; Wilhelm, L., 2012: Der GALK-Straßenbaumtest 2 liefert erste Ergebnisse. In: PRO Baum 1/2012, S. 12-16

Doobe, G.; Hilfert, G.; Knutzen, F., 2008: Pflaster und Spritzen - Neue Bekämpfungsmethoden am Beispiel Hamburg. In: Stadt und Grün 10/2008: 27-32

FREIE UND HANSESTADT HAMBURG, BEHÖRDE FÜR UMWELT UND ENERGIE/Haselbach, S., 2008-2018: Ulmenpopulation im Hamburger Stadtgebiet; Ulmenmonitoring und Ulmenimpfung. Unveröffentlichte Jahresberichte

Hiemstra, J., 2008: Eine Zukunft für die Ulmen. In: Stadt und Grün 10/2008: 33

Mackenthun, G.; Doobe, G., 2002: Hoffnung für gefährdete Bäume – Das Hamburgische Programm gegen die Holländische Ulmenkrankheit. Stadt und Grün, 12/2002: 53-57

Webber, J., 2019: What have we learned from 100 Years of Dutch Elm Disease? In: Quarterly Journal of Forestry, 4/2019: 264-268