Maßnahmen zum Baumerhalt jenseits vom Fällungsverbot
Eine aktuelle Studie nimmt Alternativen zur klassischen Baumschutzverordnung beim Schutz der Stadtbäume in den Fokus. Sie zielt darauf ab, ergänzende Wege der Förderung zu betrachten, um den für ein erfolgreiches Klimafolgenmanagement wertvollen Baumbestand zu erhalten. Diese öffentliche Studie vom Bund Naturschutz und der Landkreisorganisation LAG soll in Deutschland und im Ausland nach gelungenen Beispielen jenseits von Verboten suchen. Bei der Studie handelt es sich um ein Bürgerengagement, das im Rahmen des GAP-Strategieplans Deutschland 2023-2027 von LEADER im Freistaat Bayern gefördert wird, kofinanziert von der Europäischen Union.
Eine Zwischenbilanz : Klasse statt Masse
Abb. 01: Teilnehmer der Baumfoerderstudie. Abdruck der Karte mit freundlicher Genehmigung von Stiefel Eurocart GmbH, Lenting.Das Zeitfenster für die Teilnahme an der Studie unter deutschen Kommunen hat sich Ende Juli 2025 geschlossen. 15 Städte und Gemeinden aus 9 verschiedenen Bundesländern hatten sich bis dahin beteiligt, die kleinste mit nicht einmal 3.000 Einwohnern, die größte mit fast 2 Millionen [Abb. 1].
Dr. Annette Hartmann, die als Baumkontrolleurin (FLL) und Kommunikationswissenschaftlerin im Auftrag des Bund Naturschutz Pfaffenhofen a.d. Ilm an Maßnahmen zum Baumerhalt jenseits des Fällungsverbotes forscht, ist mit der Phase der Datensammlung hochzufrieden.
„Dank GALK-Aufruf und Empfehlungen kamen geeignete Städte zusammen. Mir geht es nicht um Masse sondern um Klasse, also um gute Vorbilder.“ so Annette Hartmann.
Eine erste Zwischenbilanz zeigt die folgende Tendenz: Maßnahmen für einen baulichen Schutz der Baumscheibe waren durchweg bei allen Vorbildkommunen vertreten.
Das hier vorgestellte erste Beispiel [Abb. 2a,b,c] zeigt einen „Pinkelstein mit Totholzhecke“. Diese Idee wurde von der „Initiative Fritschestraße“ in Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf entwickelt und wird inzwischen vom Bezirk an insgesamt 30 Standorten getestet.
Abb. 2a,b,c: „Pinkelstein mit Totholzhecke“
entwickelt von der
„Initiative Fritschestraße“
Das nächste Beispiel [Abb. 2a,b,c] zeigt, wie in Nürnberg „Wässerpaten“ mit Unterstützung der Verwaltung Hydranten anzapfen dürfen, um städtische Bäume zu gießen.
Abb. 3a: Screenshot - wie in Nürnberg „Wässerpaten“ die Hydranten anzapfen dürfen.
Abb. 03b: Screenshot - Die notwendigen Werkzeuge werden vom SÖR-Nürnberg gestellt.Unter dem Motto „free the tree“ werden in Hamburg aufmerksame Bürger dazu ermuntert, einen Baum von Kabelbindern zu befreien, wie sie oft von Wahlplakaten zurückbleiben. [Abb. 4a,b]
Abb. 04a: FreeTheTrees, BUKEA Hamburg, Grafik Franziska Fleischhauer
Abb. 04b: FreeTheTrees, BUKEA Hamburg, Grafik Franziska Fleischhauer
Bei den Pflegemaßnahmen schieden sich oftmals die Geister, insbesondere in Form und Ausmaß der Bürgerbeteiligung. Einiges geboten war beim Baumschutz auf Baustellen; hier setzten viele Kommunen ihre Hebel an, sowohl in der Planung als auch in der Ausführung. Wie kommt ein „Pro-Baum-Denken“ in die Köpfe der eigenen Verwaltung, der Entscheidungsgremien und der Öffentlichkeit? Zur Erforschung solcher Hintergründe und Zusammenhänge sowie der „weichen Faktoren“ rund um den Baumerhalt werden die umfangreichen Abschriften der Telefoninterviews anonym ausgewertet.
„Praxistaugliche Maßnahmen zu kennen ist die eine Seite der Medaille. Damit mehr grüne Klimakraftwerke den aufgeheizten Städten auch wirklich in der Praxis erhalten bleiben, möchte ich in diesem Teil der Studie mehr über Einführung und dauerhafte Anwendung der Maßnahmen erfahren.“
Im Juni suchte und fand Hartmann wissenschaftlichen Rat bei Prof. Dr. Andreas Roloff, Seniorprofessor für Forschung und Wissenstransfer zur Baumbiologie und Leiter Deutsches Baum-Institut, Technische Universität Dresden. „Mich faszinieren jedes Jahr in Augsburg seine Musikdarbietungen, die er mit dem Baum des Jahres verbindet und ihn damit in die Herzen der Menschen bringt. Und all die Wertschätzung, die er im Konzept und Begriff >Nationalerbe-Baum< vereint. Da spielen genau diese Ebenen mit, die hinter den Maßnahmen liegen. Eine große Ehre, dass mich ein solcher Meister zu meinen Etappen berät“, freut sie sich. Die Ergebnisse der Studie „Grüne Klimaschützer bewahren“ werden zum Jahresende erwartet.
Mitmach-Aktion:
Sie haben Fotos eines ungewöhnlichen, aktiv von Menschen erzielten Baumerhalts wie in diesem Beispiel? [Abb. 05] Für ein geplantes Poster, in dem alle UrheberInnen namentlich genannt werden, lädt Dr. Annette Hartmann dazu ein, bis zu 3 Bilder zu je 3-5 MB (bitte FotografIn, Ort und Jahr in den Dateinamen schreiben) auf diese Dropbox hochzuladen:
https://www.dropbox.com/scl/fo/b3z51j3knyy6a47hu0wrs/ADWFA5TPjkWVsynbMcHdN28?rlkey=dlxvkk60s92o82h1to75s7a18&st=7mzpfc2h&dl=0
Projekthistorie
Abb. 06: Beispiel Hitzeinsel - Marktplatz ohne Stadtbäume; Foto HartmannHitzeinseln sind nicht auf Ballungsräume beschränkt. Auch auf Hotspots kleinerer Kommunen sinkt die Lebensqualität überall dort, wo bis in die Nacht hinein belastend hohe Temperaturen herrschen. Und das ist häufig an Stellen, wo leistungsfähige kühlende Baumkronen fehlen (Abb. 06). Doch wie lassen sich im bebauten Raum aller Größenordnungen „grüne Klimageräte“ langfristig erhalten?
Annette Hartmann hatte fortschrittliche Kommunen im In- und Ausland gebeten, sich bei ihr zu melden und telefonisch Auskunft zu geben über erfolgreiche Maßnahmen zum Baumerhalt und deren Umsetzung jenseits vom Fällungsverbot. Willkommen waren der Studie auch Hinweise auf potenziell geeignete Kommunen.
Welche Kommune setzt auf Förderung?
Der Bund Naturschutz Pfaffenhofen an der Ilm (BN) war auf der Suche nach neuen Strategien zum Baumerhalt, nachdem Initiativen zugunsten von Baumschutzverordnungen bei den angesprochenen Gemeinden wiederholt abgelehnt wurden. Mit Unterstützung der Lokalen Aktionsgruppe des Landkreises Pfaffenhofen (LAG) im Rahmen des LEADER-Projekts Bürgerengagement betraute der BN Annette Hartmann (Baumkontrolleurin FLL, Fachautorin) mit der Studie „Grüne Klimaschützer bewahren: Positive Ansätze für den Erhalt von Bäumen im Siedlungsraum“.
„Best practices“ Sammlung erspart Lehrgeld
Abb. 07: Baumerhalt. Schutzring in München 2024, Foto HartmannOb systematisch angebrachter baulicher Schutz der Baumscheibe, Pflegekostenzuschüsse für Altbaumbesitzende oder eine Saugbagger-Vorschrift beim Leitungsbau – einige Städte und Kommunen fördern ja schon ihre Bäume im Bestand. Doch bestimmt würde es weitere gute Ideen geben. Damit Kommunen nicht länger alleine vor sich hin experimentieren müssen, sollen andernorts bereits umgesetzte Maßnahmen erfasst und zu einer Sammlung gebündelt werden. Ein Beispiel aus München (Abb. 07): Einfache Metallbügel schützen die Baumscheibe. Hinterfragt werden soll u.a., wer erfolgreich andere Maßnahmen zum Erhalt von Stadtbäumen nutzt? Nicht immer lassen sich Schutzmaßnahmen bildlich darstellen, aber auch sie sollen natürlich Gegenstand der Studie werden.
Vorgeschichte und Lernerfahrungen gehören auch dazu
Besonderes Augenmerk liegt außerdem auf der jeweiligen kommunalpolitischen Einführung: Wie wurde der Aufwand für den Baumerhalt gegenüber den Entscheidungsgremien, der Verwaltung und der Öffentlichkeit annehmbar gemacht? Welche Lernerfahrungen bot die Umsetzung und wie gut wirkte welche Maßnahme? Wo zeigt sich der Baumerhalt im Stadtbild? Zu ausgewählten Beispielen sind Vor-Ort-Besuche geplant; überwiegend setzt die Studie jedoch auf Telefoninterviews mit den Wegbereitern positiver Erhaltungsansätze.
Gute Lösungen für alle
Neben dem Forschungsbericht mit „best practices“-Sammlung entsteht eine Muster-Stadtgrünverordnung speziell für den ländlichen Raum. Erste Ergebnisse soll es im Herbst 2025 geben. Die Kommunen können anonym teilnehmen oder sich in der Fachpresse erwähnen lassen, unabhängig davon erhält jede die Forschungsergebnisse.
Auch die Deutsche Gartenamtsleiterkonferenz hat den Aufruf an Städte und Gemeinden, sich an der Studie zu beteiligen, unterstützt.
Die Erwartungen an die Teilnehmenden waren niederschwellig:
- Einfach melden und Termin vereinbaren
- 30- 60 minütiges Telefonat mit Leitfragen, wird aufgezeichnet und nach Abschrift sofort gelöscht
- Abschrift anschauen, gfs. korrigieren, ergänzen, freigeben (PS: Aussagen zur Kommunalpolitik können auf Wunsch anonym behandelt werden, also nicht einer einzelnen Kommune zugeordnet)
Die Vorteile für die Kommunen dagegen lohnen:
- Imagegewinn: Forschungsnähe und Fortschrittlichkeit im Baumerhalt zeigen, für Eigenwerbung nutzbar (Erwähnung in Forschungsbericht und Fachpresse)
- Förderung anstatt (bzw. im Ausgleich zu) Forderung: kommt bei der eigenen Bevölkerung sehr gut an
- "Best-practices"-Sammlung erspart Lehrgeld: es muss nicht jeder das Rad neu erfinden
- Musterstadtgrünverordnung für ländlichen Raum: gerade kleinere Kommunen profitieren hier sehr direkt.
Annette Hartmann
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