Deutsche Baumpflegetage - Mehr Praxis auf größerer Fläche
Zuwachs bei den Deutschen Baumpflegetagen: Vom 7. bis zum 9. Mai 2019 präsentierte sich das bedeutendste europäische Baumpflege-Event in der Messe Augsburg umfassender denn je. Mit insgesamt 7.000 Quadratmetern war die Ausstellungsfläche der tagungsbegleitenden Baumpflege-Messe um 700 Quadratmeter größer als in den Vorjahren. Die erweiterte Fläche bot noch mehr Raum für praktische Vorführungen in Ergänzung zu den Fachvorträgen. Eine Kombination, die auch in diesem Jahr von den Besuchern aus 20 Nationen sehr positiv aufgenommen wurde.
„Die Verbindung von Theorie und Praxis ist erklärtes Ziel der Deutschen Baumpflegetage. In Augsburg bekommt der Praktiker handlungsorientierte Anregungen und Empfehlungen für die tägliche Arbeit“, sagte Prof. Dr. Dirk Dujesiefken, Veranstalter des Baumpflege-Events. Auch 2019 war der zehn Meter hohe Kletterturm im Kletterforum Treffpunkt von Seilkletterern aus aller Welt und Dreh- und Angelpunkt zahlreicher praktischer Demonstrationen.
Richtig umgesetzt: Baumschutz Baustellen
Im Außenbereich der Messe fokussierten Experten praxisnah das Themenfeld Baumschutz auf Baustellen. Hierfür fuhr die Hamburger Firma Heitmann imposantes Gerät auf: Einen 24 Tonnen schweren Erdsauger, der mit einem ferngesteuerten Saugarm Suchgräben ausheben kann. Während mehrerer Vorführungen legte der Koloss erstaunlich feinfühlig Baumwurzeln frei. Auf diese Weise können unter anderem Lage und Zustand von Wurzeln auf Baustellen beurteilt werden.
Dieses Thema wurde während der Fachtagung vertieft: „Bei allen technischen Möglichkeiten ist zu beachten: Nur ein bereits in der Planungsphase beginnender und bis zum Bauende konsequent fortgesetzter Baumschutz gewährleistet den Erhalt des Baumbestandes auf Baustellen“, sagte Thomas Amtage, Landschaftsarchitekt aus Berlin. Der Referent erläuterte in seinem Vortrag, wie ein qualifizierter Baumschutz mithilfe einer Umweltbaubegleitung (UBB) umgesetzt werden kann. „Bei der UBB prüft ein unabhängiger Fachmann die Planung in Bezug auf den Baumschutz und berät während des gesamten Bauprozesses hinsichtlich möglicher baumschonender Bauweisen“, erläuterte der Experte.
Hochwasserschutz versus Umweltschutz: Bäume auf Deichen und Dämmen
Diesen Themenschwerpunkt gestalteten die Organisatoren gemeinsam mit dem diesjährigen Fachpartner, dem Bund der Ingenieure für Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft und Kulturbau (BWK). „Deiche und Dämme sind sowohl technische Bauwerke zur Umsetzung von Hochwasserschutzkonzepten als auch Bestandteil von Natur und Landschaft und somit oft Gegenstand unterschiedlicher Interessen. Hier müssen Kompromisse gefunden werden“, sagte Dr. Ronald Haselsteiner, Fachgebietsleiter Wasserbau bei der Björnsen Beratende Ingenieure GmbH. Nach der DIN 19712, so der Referent, sei zwar der Grundsatz der Gehölzfreiheit auf Deichen formuliert, jedoch enthielte die Norm auch Anforderungen für Ausnahmefälle, die stets geprüft werden sollten. „Denn Bäume auf Deichen können durchaus positive Effekte mit sich bringen, wenn zum Beispiel die Durchwurzelung des Erdkörpers die Standfestigkeit der Hochwasserschutzanlage erhöht“, argumentierte der Ingenieur und stellte anschließend verschiedene Lösungen vor, mithilfe derer Bäume auf Deichen erhalten werden können. Zum Beispiel die Schaffung von Überprofilen oder der Einbau statischer Ersatzsysteme wie Spundwände oder Innendichtungen.
Wie der Erhalt von Altbäumen auf einem stark sanierungsbedürftigen Damm praktisch gelingen kann, veranschaulichte der Vortrag des Baumsachverständigen Frank Hagen und der BUND-Referentin Katharina Dujesiefken am Beispiel der Stör-Wasserstraße in der Lewitz (Mecklenburg-Vorpommern). Hier sollten 213 alte Stileichen im Zuge der Sanierung gefällt werden. Nach umfassenden Protesten durch den BUND und weitere Verbände schaltete die Behörde den Baumsachverständigen Frank Hagen ein, der die gesamte Baumaßnahme begleitete. Ein geändertes Sanierungskonzept, das die Bäume berücksichtigte, ermöglichte schließlich die Rettung der Bestandsbäume.
Konfliktfeld Mistel und Baum
Die Laubholzmistel breitet sich in Deutschland immer weiter aus, vielerorts auch in Streuobstwiesen. Zugleich gehen seit den 1950er Jahren die Streuobstbestände zurück und sind in Deutschland stark gefährdet. „Durch ihr oft massenhaftes Auftreten schädigt die Mistel ihre Wirte und wird zum existenziellen Problem für die bedrohten Obstbäume. Man muss daher ein stärkeres Augenmerk auf sie richten, wobei darunter nicht ein generelles Zurückdrängen der Mistel verstanden werden soll“, sagte Sarah Heidlberger vom Forstamt Nidda, die über Misteln referierte. Der beste Weg, die Bäume vor einem übermäßigen Mistelfall zu schützen, sei eine umfassende Pflege von Hochstamm-Obstbäumen. In vielen Streuobstwiesen sei die Pflege der Bestände unzureichend, was die Bäume noch anfälliger für den Befall durch Misteln mache. Heidlberger empfahl einen regelmäßigen Rückschnitt der äußeren Äste und mindestens alle vier Jahre ein konsequentes Entfernen der Misteln in den inneren Astpartien.
Mutter der Baumkronenforschung: Meg Lowman zu Gast in Augsburg
Die bekannte Biologin, Pädagogin und Schriftstellerin Dr. Margaret D. Lowman kam aus Kalifornien zu den Deutschen Baumpflegetagen, hielt zwei Vorträge und zog ihr Auditorium umgehend in ihren Bann. Ihre Botschaft: Die Klettertechnik und die von Lowman mitentwickelten „Canopoy Walkways“ tragen entscheidend zum Erhalt und zur Erforschung von Wäldern bei. Anhand von Fallstudien aus dem Amazonas, Äthiopien und Malaysia verdeutlichte Meg Lowman, wie Baumkronenwege größeren Teams von Wissenschaftlern neue Erkenntnisse zur Biodiversität und Ökologie in Baumkronen einbringen können. „Canopy Walkways ermöglichen außerdem Menschen den Zugang zu Baumkronen, die beruflich keinerlei Bezug zu diesem Universum haben. Dies hat ein großes Wachstum im Ökotourismus und in der Umweltbildung generiert. Viele indigene Völker verdienen inzwischen Geld damit, Menschen die Baumkronen zu zeigen, anstatt die Bäume gegen Bezahlung zu fällen. Das ist eine enorm wichtige Entwicklung“, so ihr Fazit.
Ausblick
Der Termin für die 28. Deutschen Baumpflegetage in Augsburg steht bereits fest: 21.-23. April 2020. Dort das Thema Klimawandel und Trockenstress im Fokus stehen. Weitere Informationen zur Tagung findet man unter www.deutsche-baumpflegetage.de.